Die mittlerweile polizeilich beendete Leerstandsbelebung der Bärendelle ruft unter einigen Sympathisanten Fragen hervor, ob die Besetzer nicht bestimmte Sachen anders – ‘besser’ – hätten machen können. Im Nachhinein ist das mitunter mühsam, allerdings auch wichtig, um für zukünftige Aktionen zu lernen. Die konstruktive Auseinandersetzung mit der Sache ist immer ein Gewinn.

Gleichsam sollte man nicht vergessen, die Entscheidungen des Plenums Bärendelle zu respektieren. Es hat sich für einen bestimmten Weg entschieden – unabhängig davon, ob dies der effektivste war – und wird seine Gründe dafür gehabt haben. Das Plenum hat mehrmals täglich diskutiert, auch darüber, wie man weiter vorgeht und mit Offiziellen kommuniziert. Das solche Beratungen stattfinden und sich Gedanken gemacht wird, wurde mehrmals verkündet.

Und ebeneso darf man nicht vergessen: Auch wenn manchem die Aktion zu chaotisch, zu wenig auf Effizienz ausgerichtet erscheint – sie war und ist ein Ausdruck von Verzweiflung und Mut. Verzweiflung – oder Unmut, um ein schwächeres Wort anzubieten – darüber, dass die Freiräume zur eigenen Entfaltung schwinden, dass unabhängige wie subventionierte Einrichtungen von einer planlosen Kulturpolitik totgespart werden, dass all die schönen Worte einen so hohlen Klang haben. Mut, diese Zustände nicht einfach hinzunehmen und dafür eine Kriminalisierung und eine mögliche Anzeige in Kauf zu nehmen. Das alleine verdient Respekt, und schon die erzielte Öffentlichkeit rechtfertigt die Aktion. Doch das kann erst der Anfang sein.

Raus aus der Behaglichkeit!

Wir müssen das Nest der Behaglichkeit verlassen, in dem man sich zu schnell einrichtet. In dem alles doch irgendwie geht, ohne dass es besser wird. Wir müssen die Decken abstreifen, in die man uns oder wie uns selbst einlullen. Denn ohne unsere Initiative – und dies meint die Initiative jedes Einzelnen – wird sich nichts ändern.

Protest angesichts der Ratlosigkeit

Manchmal stehe ich selbst ratlos da und frage mich: Wo nur hin? Es kann einen manchmal verzweifeln lassen. Es hilft dann jedoch nichts, sich der eigenen Ratlosigkeit nicht zu stellen. Die politisch Verantwortlichen formulieren dies aber nicht, denn es wäre ein Zeichen von Schwäche, und die will man nicht eingestehen. Wo sind die Politiker, die sagen “Ich weiß nicht weiter, lasst uns gemensam einen Weg finden”, statt halbgare Lösungen anzubieten? Die Ratlosigkeit der Politik ist deutlich sichtbar, wenn sie ihre Deutungshoheit im Diskurs mit Polizeiaufgebot und Panzerfahrzeugen verteidigt – wenn dies sicherlich auch kein günstiger Weg ist. Die Machtdemonstration soll die eigene Position stärken, da die eigentlichen Argumente selten über Lippenbekenntnisse hinausgehen.

Es ist auch die Phantasielosigkeit der Politik, die erschreckt. Auf der einen Seite wird Eigeninitiative der Kreativen gefordert, um sich mit den welken Lorbeeren einer Kreativwirtschaft zu schmücken und das vage wie fragwürdige Ziel einer Kulturindustrie made at Ruhr zu erreichen. Mit Nachhaltigkeit, natürlich. Auf der anderen Seite ist die geförderte Selbstverwirklichung mit bürokratischen Hürden, unüberschaubaren, teils widersprüchlichen Zuständigkeiten und einem selektiven Verständnis von Kultur und Kreativit verbaut.

Doch (kulturelle) Kreativität kann – und sollte! – nicht ausschließlich an wirtschaftlichen Maßstäben gemessen werden. Das kulturelle Gut ist immateriell, dennoch ist man als Künstler gezwungen, wirtschaftlich zu argumentieren. Alles, was sich einem primär bildungsbürgerlichen Kulturverständnis entzieht, wird misstrauisch beäugt. Was sich nicht auf den ersten Blick touristisch vereinnahmen lässt und teils überzogenen Ansprüchen an ein ‘Event’ gerecht wird, löst Verwirrung bei Stadt- und Kommunalpolitikern aus. Was kann man erwarten von Bürgermeistern und Kulturdezernenten, die teilweise nicht mal in ihre eigenen Theater gehen, aber gerne mit kultureller Vielfalt hausieren und ihre Lippenbekenntnisse – gerade in Wahlkampfzeiten – stetig erneuern? Und die gleichzeitig Kulturetats und Fördertöpfe zusammenstreichen und auf selbstbestimmte Initiativen nicht mit Dialog, sondern mit teuren Polizeieinsätzen reagieren?

Änderungen von unten

Ändern kann sich nur etwas von unten. Entscheider, die Kreativität fordern, aber Phantasie missen lassen, werden das Dilemma verschärfen. Künstliche, von oben diktierte Konzepte (Metropole Ruhr, anyone?) gehen viel zu oft an der tatsächlichen Realität der Kunst- und Kulturschaffenden vorbei. Es soll künstlich etwas geschaffen werden, was nur aus sich selbst heraus entstehen kann – und gleichzeitig wird ein Entstehen von unten erschwert, mit Gewalt unterdrückt oder zumindest misstrauisch beäugt. Und sei es nur, weil es nicht in das von bezahlten und häufig externen Beratern entworfene Konzept passt. Oder weil man sich die eigene Ratlosigkeit nicht eingestehen kann.

Man kann es sich bequem machen, wie jener Kommentator beim Lokalkompass, der die Meinung vertritt, man wird sich an die Leerstände gewöhnen müssen. Man kann sich – wie ein Teil der Politik – in einem behaglichen Nest einrichten, in dem man verzweifelten wie engagierten Protest nur als dumpfes Echo vernimmt. Und wenn es doch mal zu laut wird, werden die Hüter der Ordnung selbige schon wieder herstellen.

Ebenso birgt eine kompromisslose Radikalopposition die Gefahr der Behaglichkeit, der man sich auch auf der anderen Seite bewusst sein muss. Ebenso wie die Behaglichkeit des Nörgelns, die man durch Aktivität und das Aufzeigen von Alternativen durchbrechen muss.

Gar nichts zu unternehmen kann die Lösung nicht sein. Wir – und das meint alle Seiten im Diskurs – müssen aktiv werden, wir müssen uns bewegen, Fehler eingestehen und Risiken eingehen. Das ist unbehaglich. Aber der behagliche Weg führt in den Ruin.