Das Gewitter, das den Himmel zum Beben gebracht hatte, war vorbei. Statt irrlichtender Blitze erhellte die Sonne den Himmel, so warmmild und zärtlich, wie sie nur im Frühling war. Ganz so, als müsste sie nach dem winterlichen Abstand scheu um die Gunst der Erde werben.
Etwas erwachte, das noch nichts von der Sonne ahnte. Das nicht wusste, dass es vom Frühling geträumt hatte und ihm bald begegnen würde. Das kein Wort für den Wind kannte, ihn nie erlebt hatte und ihn doch bereits vermisste.
Es streifte etwas ab, dem es keine weitere Beachtung widmete. Das geschah eher aus Sorglosigkeit. Es selbst dachte nicht weiter darüber nach. Es geschah einfach, so wie man morgens aus dem Bett steigt und die Decke von sich wirft. Der Moment war so schnell vorbei, dass sich kein Gedanke in ihm verfing.
Die Haut der dunklen Kammer, die es umschloss, bekam Risse. Schicht für Schicht brach sie auf. Feuchte Erde drang hinein, doch es konnte sie zurückschieben. Wie das Abgelegte verdrängte es die Erde, die es geborgen und genährt hatte. Es wusste nicht darum und empfand daher keine Dankbarkeit.
Kurz verharrte es. Irgendwoher war der Gedanke gekommen, sich umzudrehen. Nur ein Blick zurück, aber dieser Einfall war umgehend vergessen. Hätte es etwas länger innegehalten, hätte es vielleicht verstanden, woher der Gedanke gekommen war.
Es glitt mit der Leichtigkeit eines Fisches im Meer durch die Erde. Ohne ein Oben oder Unten zu kennen, nur von sättigender Dunkelheit umgeben, fand es seinen Weg. Vorbei an vertrockneten Samen und träumenden Insekten glitt es durch ein Wurzelriff hinauf in die unbenannte Welt. Das letzte Stück Erde wich zur Seite und eine zärtliche Helligkeit umfing es.
Ich habe auf dich gewartet, schien das Licht zu sagen. Und da wusste es: Es war an dem Ort, von dem es bereits geträumt hatte, als es noch nicht um sich selbst wusste.
Etwas Erde hing noch an ihm. Es schüttelte sie ab. Mit zittrigen Beinen erklomm es einen Grashalm. Was es an seiner Spitze sah, ließ es ehrfürchtig erschaudern. Dies war seine neue Welt, und es ahnte, dass seine Zeit nicht am Horizont enden würde. Alles war möglich, aber es hatte keine Eile. In ihm verstand etwas, dass alles seine Zeit hatte. Jede Richtung, die es einschlug, würde gut sein.
Von allem Drängen befreit versenkte es sich lange in diesen Anblick. Der bevorstehende Aufbruch war kein Moment, den es vergeuden wollte. Ohne zu wissen, genoss es einen Frieden, auf den es lange gewartet hatte.
Schließlich war es so weit. Scheu öffnete es die durchscheinenden Flügel und wärmte sie an der Sonne. Es schmeckte die Frühlingsfarben, das Rot, Gelb, Grün und Blau. Und eine weitere Farbe, für die es noch keinen Namen hatte. Sie verbarg sich schüchtern hinter den anderen Farben. Als die Flügel sich entfaltet hatten, wusste es, dass es dieser Farbe folgen wollte.
Voller Zuversicht und Neugier stieß es sich ab und stieg hinauf in den zartblauen Frühlingshimmel, einer Geschichte entgegen, die niemand aufschreiben würde.
Bald würde die Welt es wahrnehmen. Doch in diesem Augenblick, als es der neuen Zeit entgegenflog, sah ihm nur das Abgelegte nach. Es lag unbeachtet in der Erde und freute sich still. Was dort am Himmel verschwand, war lange ein Teil von ihm gewesen und umgekehrt.
Das Abgelegte kuschelte sich glücklich in den Frieden des Zurückbleibens und legte sich träumen. ♦