Vor einigen Tagen erhielt ich eine Anfrage von dem neuen Magazin standpunktgrau zu Utopie und Dystopie in der Kultur, dessen erste Ausgabe im Februar erscheinen wird – ein Interview mit einer einzigen Frage: Woran sind Sie als Künstler gescheitert? Meine Antwort darauf werde ich an dieser Stelle nicht verraten, schließlich wird sie in dem Magazin nachzulesen sein, für das ich nicht bloß wegen meiner Beteiligung werbe.

Ich möchte die Frage zum Anlass nehmen, über das Scheitern an sich – vor allem in der Kunst – nachzudenken. Es ist etwas, dass wir uns viel zu selten erlauben oder eingestehen. Dabei mag ich das Scheitern.

Mehr noch: Für mich ist Scheitern elementar. Vielleicht ist es ein Ausdruck verbissener Hartnäckigkeit, doch das Scheitern ist mir ein stärkerer Antrieb als der Erfolg. Letzterer ist eine nette Dreingabe, eine das Leben verzuckernde Belohung – und natürlich eine willkommene Bestätigung, um nicht dem Frust zu erliegen. Doch alleine macht er bequem. Scheitern hingegen ist eine Herausforderung, es das nächste Mal besser zu machen. Eine Notwendigkeit, neue Wege zu finden. Solange man nicht aufgibt, zwingt es einen, selbst besser zu werden. Beweglich zu bleiben.

Scheitern ist nur dann endgültig, wenn man es zulässt. Ansonsten ist es bloß eine Episode des Schaffens, die sich eines Tages für die eine oder andere amüsante Anekdote eignet.

Das Problem ist eher, dass unsere Gesellschaft, selbst das Umfeld, in dem man sich als Künstler bewegt, wenig Toleranz für das Scheitern zeigt – obwohl es eigentlich ein natürlicher Bestandteil des Entwicklungsprozesses ist. Es geht allgemein jedoch vielmehr um Leistung und Erfolge, schließlich soll man sich als produktiver Teil der Gesellschaft beweisen.

In der Kunst nimmt das mitunter bizarre Züge an, befindet man sich doch häufig in der Position, das eigene Schaffen rechtfertigen zu müssen – am besten durch Verkaufszahlen, Auslastungsstatistiken und ähnlich auswertbaren Maßstäben eines abstrakten eigenen Wertes. Abgesehen davon, dass man den grassierenden Neid nicht unterschätzen sollte und Erfolg immerhin in einem gewissen Grad vor Häme schützt.

Wir werden auf Erfolg getrimmt – und übersehen dabei den wichtigsten Wert des Scheiterns: Anders als schnelle wie schnelllebige Erfolge lehrt es uns, mit dem Scheitern umzugehen. Nur wer das eigene Scheitern akzeptiert und seinen Umgang damit findet, wird den Atem haben, auf lange Sicht weiterzumachen und dabei sich selbst treu zu bleiben. Nur wer es gelassen reflektiert, kann sich verbessern.

Das gilt ohne Frage für viele Bereiche des Lebens, doch gerade in der prekären Lage, in der man sich als Künstler befindet, sind die Lektionen des Scheiterns die vielleicht wichtigsten Lehren. Zumal sie die Erfolge nicht bloß wertvoller machen, sondern einem auch Demut vor diesen beibringen. Und etwas mehr Demut vor dem Glück kann generell nicht schaden.

Zurück zum Anfang, ohne die Antwort offenzulegen, die ich standpunktgrau gegeben habe. Mit der Liste der Sachen, in denen ich in all den Jahren als Künstler im Kleinen wie im Großen gescheitert bin, ließe sich sicherlich eine Sonderausgabe füllen. Rückblickend bin ich für jede einzelne Erfahrung dankbar, gerade weil ich mich dadurch oft selbst infrage gestellt habe. Nur so konnte ich mich weiterentwickeln. Den Glauben an die eigene Hingabe, die Stärke des eigenen Willens und die gehörige Prise Demut habe ich nicht durch meine Erfolge gelernt, sondern durch die Stationen meines Scheiterns. Und daher kommt die Kraft, weiterzumachen.