Fünf wie Vier – nur anders schlimm?
Für alle, die um meine Leidenschaft für Das Schwarze Auge wissen, dürfte die Überschrift bereits mehr Sinn machen als für alle anderen. Für alle anderen ist dieser Artikel vielleicht auch nicht so interessant.
Es wird um das Rollenspiel Das Schwarze Auge gehen, seine im letzten Jahr erschienene fünfte Regeledition (kurz DSA5), die lange überfällig die Vorgängeredition DSA4.1 abgelöst hat – und um meine wachsende, kritische Haltung zu der neuen Edition. Denn je weiter die Umsetzung voranschreitet und weitere Schritte angekündigt werden, desto mehr verliere ich meinen Bezug zu dem Spiel. Es folgt jedoch keine geifernde Polemik, bei der ich mit dem Finger auf die Redaktion zeige und ihnen mit Schaum vor dem Mund ihre Fehler vorhalte – sorry! Ich versuche, meine eigene Haltung zu reflektieren.
Daher möchte ich vorweg eine Liebeserklärung stellen: Ich liebe dieses Spiel, mehr noch seine Welt. Das hat letztlich dafür gesorgt, dass ich trotz wiederholter Ankündigung, mich zurückzuziehen beziehungsweise kürzer zu treten, immer wieder und immer noch für Das Schwarze Auge schreibe. Und letztlich ist man als DSA-Spieler – gerade in Hinblick auf die Regeln – leiderfahren. Letztlich arrangiert man sich immer damit und irgendwie gilt immer: Man spielt DSA nicht wegen seiner Regeln.
Ich habe in den letzten Wochen viele Diskussionen in einschlägigen Foren verfolgt und mich teilweise daran beteiligt. Daher weiß ich, dass die Designentscheidungen des neuen Regelwerks den Nerv vieler Leute treffen, es aber auch viele kritische Stimmen gibt, von denen nicht wenige ihre Unzufriedenheit äußerst angenehm und konstruktiv diskutieren. Ich selbst war von DSA5 anfangs sehr angetan. Doch diese Begeisterung schwindet. Seit Tagen beschäftige ich mich mit der Frage: Warum?
In Vorbereitung dieses Artikels habe ich einen offenen Brief hervorgeholt, den ich 2012 an die Redaktion geschrieben und in dem ich meine damaligen Wünsche für ein neues Regelwerk benannt habe. Das Fazit war:
»Wenn ihr eines Tages über eine neue Regeledition nachdenkt, denkt es bitte wieder erzähl– und einsteigerfreundlicher, moderner wie klassischer gleichermaßen – und vor allen zugänglicher.«
In eine ähnliche Richtung gingen die Designziele, als schließlich tatsächlich mit der Arbeit an einer neuen Edition begonnen wurde. Mit dem Erscheinen des Regelwerks war man diesen Zielen auch näher gekommen als befürchtet. Was stört mich also? Es ist vor allem das, was seitdem geschieht, das mich von DSA5 entfremdet.
»Nimm dir das, was du brauchst – und noch ein bisschen mehr.«
Die Prämisse von DSA5 lautet: Man braucht nur das Regelwerk und den Aventurischen Almanach, um alles spielen zu können. Sämtliche weitere Regelpublikationen sind optional. Sie erweitern das Regelwerk um sogenannte ›Fokusregeln‹ in zwei Abstufungen, über deren Verwendung jede Gruppe entscheiden kann. Sollten für spätere Abenteuer bestimmte Fokusregeln elementar sein, werden diese in den Abenteuern enthalten sein, so dass man weitere Regelbücher nicht zwingend braucht.
Das klingt soweit erst einmal gut: ein modulares System, das man ganz nach den eigenen Bedürfnissen zusammenbauen kann. In der alten Edition ist der Regelexzess ausgeartet, dass es fast absurd wurde. Dazu schrieb ich 2012:
»Wem erweisen wir wirklich einen Gefallen, wenn alleine Wege der Helden, Wege des Schwerts, Wege der Zauberei (das für sich in seinem Umfang schon eine Zumutung ist, schlicht beim Transport), Wege der Götter und Wege der Alchimie nebeneinandergestellt auf 12 cm Breite und über 1.500 Seiten Umfang kommen, die ich noch mal um 3 cm und 304 Seiten Liber Cantiones erhöhe? Dem neugierigen Neueinsteiger? Wohl nicht, gerade wenn man bedenkt, dass sich der Einstieg in das Rollenspiel meistens so gestaltet, dass eine Einzelne in eine bestehende Runde kommt. Und in denen wird selten mit Einsteigerregeln gespielt, da packt jeder gleich seinen Stapel an Büchern aus, so dass man sich Sorgen machen muss, zwischen den sich türmenden Werken noch die Süßigkeiten zu finden.«
Diese Aussage bezog sich auf die grundlegenden Bücher, das vollständige Regelwerk war um einiges umfangreicher. Die neuen Grundbücher decken zwar nicht das gleiche Spektrum in der Tiefe ab, dafür aber in der Breite. Mit seiner schlanken Prämisse kommt DSA5 damit deutlich attraktiver daher. Doch der Regelexzess scheint ein Fluch zu sein, der sich nicht so leicht abschütteln lässt. Denn welchem Weg scheint DSA5 mit seinen Fokusregeln gehen zu wollen? Einen Weg, der verschlungener ist als das Regeldickicht des Vorgängers.
Statt einem Magierregelbuch wird es (mindestens) zwei geben, ebenso wird es (bis jetzt) bei den Geweihten sein. Das Kompendium für profane Regeln erhebt ebenfalls keinen Anspruch auf Vollständigkeit, gerade für die Freunde von todbringendem wie schützendem Heldenrüstzeug wird es einen Ausrüstungsband geben, der wiederum ebenfalls nur einen kleinen Ausschnitt bietet, da jede Regionalspielhilfe noch einen weiteren, regionsspezifischen Ausrüstungsergänzungsband spendiert bekommt (grob geschätzt: um die 25). Dass ich schon jetzt für ein grundlegendes Sammelsurium an Tieren, Kreaturen und gängigen Bewohnern Aventuriens in gleich drei Publikationen (Regelwerk, Aventurischer Almanach und Aventurisches Bestiarium) nachschlagen muss, führt eigentlich zur Frage, warum noch keine regionsspezifischen Kreaturenergänzungsbände angekündigt wurden. (Sollte diese Idee aufgegriffen werden, freue ich mich über Tantiemen.) Und während es durchaus charmant ist, dass der Meisterschirm seine eigenen Fokusregeln hat, wirft die Ankündigung zukünftiger mehrerer Meisterschirme mit unterschiedlichen Ergänzungsregeln sehr viele Fragen bei mir auf.
Jeder, der sich etwas mit der Materie beschäftigt, weiß, dass im Rollenspiel das Geld mit Regeln gemacht wird. Abenteuer werden einmal pro Runde gekauft, Regelbände tendenziell mehrmals. Je breiter das Angebot ist, desto mehr Bücher werden gekauft. Und da viele Rollenspieler zudem eine ausgeprägte Sammelleidenschaft haben, bedeutet ein mehr an Bänden folglich mehr Geld.
Nein, das ist nicht der alter Vorwurf, Ulisses will nur Kohle machen. Mir ist ein Verlag, der Gewinn macht, um seine Mitarbeiter, Autoren und Illustratoren zu bezahlen und auch perspektivisch noch Publikationen zu veröffentlichen, lieber als einer, der sich sehenden Auges in die Pleite bringt. Dennoch erscheint mir DSA5 schon jetzt wie ein Sammelkartenspiel: Wenn du alle Extras haben willst, musst du auch noch diese Ergänzung kaufen.
Natürlich ist alles explizit ein Angebot und jede Runde entscheidet selbst, mit welchem Detailgrad an Regeln sie spielen möchte. Während die einen mit den fünf Zuständen für Helden, die das Regelwerk bietet, zufrieden sind, fragen andere schon nach Fokusregeln, mit denen sie nachhalten können, wie müde ihre Abenteurer sind, oder diskutieren die Simulationstauglichkeit einer Fokusregel für Helden, die zu tief ins Glas geschaut haben.
Aber: Das Angebot ist da und beeinflusst dadurch das Spiel. Trotz der Definition, dass nicht alle Regeln benutzt werden müssen, wird das niemals vollständige, sich immer erweiternde Regelwerk eher über kurz als über lang detailversessener und regelbelasteter sein als DSA4.1 es je hätte sein können.
Die geopferte Übersichtlichkeit
Doch, was noch schlimmer ist: Da das System nie vollständig sein will, hat man sich gleich von der Übersichtlichkeit verabschiedet. Regeln können überall sein. Wenn ich ein vollständiges System haben möchte oder nur in einem bestimmten Bereich alles kennen will, brauche ich viele Bücher. Sehr viele. Wie oben bereits angeführt, erfordert bereits jetzt ein Basisquerschnitt an Kreaturen drei Bücher. Für Ausrüstungen werde ich über ein Dutzend brauchen. Im angekündigten Kompendium finde ich allerlei profane Regelergänzungen, die Fokusregeln für ein zünftiges Saufgelage mit anschließender Kneipenschlägerei finde ich jedoch im Meisterschirm I – was die weiteren Meisterschirme beinhalten werden, ist noch nicht abzusehen. Und während ich mich als Spieler noch auf das beschränken kann, was ich für meine Helden brauche (was auch nur funktioniert, wenn man kein breites Spektrum bespielt), muss ich als Meister damit leben, dass meine Spieler mit immer neuen Fokusregeln zum Spiel kommen, die ich mir entweder selbst zulege oder zumindest kopieren sollte.
Zwar sind Sammelbände im Sinne von Jahrbüchern angekündigt, die regelmäßig Regelerweiterungen zusammenfassen sollen, aber ich bin skeptisch, dass die zeitliche Sortierung den Verzicht auf eine überschaubare, thematische Sortierung kompensiert.
»Bedenke, was man brauchen könnte.«
Eine Hölle für Autoren
Vielleicht lasse ich mich durch etwas abschrecken, das meinen eigenen Spielbedürfnissen diametral entgegensteht. Doch ich möchte mein Hadern auch von der Seite des Autors beschreiben. Dazu zitiere zum Auftakt noch einmal mein Ich von 2012 mit meinen Gedanken zum damaligen Regelwerk:
»Dem Autor erweist man übrigens auch keinen Gefallen. Als einer davon will ich nicht murren, und ich erkenne fraglos an, dass es zur Aufgabe des bezahlten Schreiberlings, der Mietfeder, gehört, sein Abenteuer nicht nur der Erzählung unterzuordnen, sondern auch im Einklang mit dem Regelwerk zu verfassen. (Eine persönliche Verantwortung des Autors, die ich mir selbst erst aneignen musste, aber mittlerweile als gegeben akzeptiere.) Doch wie soll dies wirklich zu annähernd 100% gelingen? Selbst wenn es – wie bei mir – nicht dem eigenen Spielstil entspricht, wagen sich viele Autoren in die innersten Kreise der Regelverdammnis vor, recherchieren mutig, bis die sie umgebenden Bücherstapel das Licht verdunkeln, und müssen manchmal doch schier verzweifeln, weil sie in allen Zusatz– und Ausnahmeregeln, die sich manchmal bis in die Abenteuerbände hinein erstrecken, kein stabiles Fundament für ihre Erzählung finden, das nicht doch durch einen überlesenen Absatz abgetragen werden kann. Und innerlich hat man sich ohnehin schon mit einem gewissen Langmut darauf eingestellt, in Foren kritisiert zu werden, weil bei der Berechnung des PA-Werts ein kleiner Fehler unterlaufen ist und dieser einen Punkt niedriger ist, als er laut Regeln sein dürfte.«
Das wird schlimmer werden. Es ist zwar nett gesagt, dass man nur das Regelwerk und den Almanach zum Spielen brauchen soll, aber in der Praxis wird das scheitern. Selbst, wenn die erweiternden Regeln in den Abenteuern enthalten sein werden, wird eine Sache unterschätzt: Wenn eine Regel veröffentlicht wurde, wird erwartet, dass sie zum Einsatz kommt. Da kann man noch so die eigentlich richtige Meinung vertreten, dass die Verwendung von Fokusregeln in der Verantwortung der Spielrunden liegt – am Ende wird eine unvollständige Anwendung auf den Autor zurückfallen.
Die Abenteuer müssen letzten Endes so durchdacht sein, dass sie mit allen (zu diesem Zeitpunkt erschienenen) Fokusregeln funktionieren könnten, selbst wenn sie nicht direkt darauf referenzieren. Das ist ein nachvollziehbarer Anspruch. Schließlich hat irgendwo eine Runde einen speziellen Band gekauft und sich für eine spezifische Fokusregel entschieden. Da will man nicht feststellen, dass diese an relevanter Stelle gar nicht berücksichtigt wird, vor allem, wenn sie signifikanten Einfluss auf die Handlung haben kann.
Die Autoren werden recht bald vor einer sehr undankbaren Aufgabe stehen: Entweder berücksichtigen sie alles – und das wird ab einen gewissen Zeitpunkt einen viel heftigeren Mehraufwand als bei DSA4.1 bedeuten – oder sie nehmen in Kauf, etwas abzuliefern, das unvollständig ist. Die bequeme Haltung, dass Runden, die sich für bestimmte Fokusregeln entschieden haben, diese eigenverantwortlich berücksichtigen sollen, wird sich aus meiner Schreiberfahrung auf lange Sicht nicht zufriedenstellend erfüllen. Eine andere Möglichkeit, die Verantwortung für die Regeln im Abenteuer an die Redaktion abzugeben, ist wiederum eine vergiftete Lösung. Denn jeder Fehler, der hier passiert, wird dem Autor zum Vorwurf gemacht werden – ganz davon ab, dass ich viele Autoren kenne, die den Anspruch haben, ihre Geschichte im Einklang mit der Welt zu bringen, die letztlich von den Regeln definiert wird.
(Nota bene: Ich persönlich bin der Auffassung, dass die Regeln durch die Welt definiert werden sollten, aber das ist ein Thema für einen eigenen Artikel.)
Als Autor habe ich Hintergrundrecherchen immer geliebt und Regelrecherchen in Kauf genommen. Leider wird sich das nicht wie erhofft bessern, sondern die Bürde wird schwerer. Für viele phantastische Geschichten, die man auf und über Aventurien erzählen kann, sind die Grundregeln nicht ausreichend. Doch die richtige Ergänzung zu finden, wird zukünftig ein Abenteuer für sich sein.
Ich weiß, dass es viele Spieler und Runden gibt, die den neuen Ansatz goutieren. Und immerhin ist – bis jetzt; ich erlaube mir da ein gewisses Misstrauen – der Ansatz dahingehend umgesetzt, dass die Regeln in sich kompatibel bleiben. Bei DSA4 war dies anders, da hatte man mitunter das Gefühl, mehrere System gleichzeitig zu spielen. Die Kompatibilität der neuen Edition hingegen wird das Erlernen einfacher machen, praktikabel muss die Modularität dennoch nicht sein.
Vielleicht ist es ein Fluch des Mainstreams, es möglichst vielen Spielstilen recht machen zu wollen. Jede Runde kann sich aus einer wachsenden Anzahl an Möglichkeiten das Regelwerk zusammenbauen, das ihr am meisten liegt. Dafür muss man eine gewisse Beliebigkeit in Kauf nehmen. Als persönliches Fazit komme ich jedoch zu dem Schluss, dass sich Das Schwarze Auge als Spiel mit jeder regelseitigen Ankündigung mehr von mir entfernt. Statt schlanker wird es unübersichtlicher, statt vielseitig wird es beliebig. Die anfängliche Begeisterung droht zu verfliegen, das alte Vergnügen im Neuen wird zu einer alten Frustration.
Hi Michael,
Vielen Dank für deinen mir aus der Seele sprechenden Beitrag!
Ich spiele DSA seit der ersten Version, damals noch in der Grundschule, und habe bisher brav alle Regeleditionen mitgemacht. DSA4(.1) bot eine wahnsinnige Vielfalt und hat meiner Meinung nach das bisher beste Grundgerüst geliefert.
Ich bin kein Regelfetischist und habe weite Teile der Regeln bis heute erfolgreich ignoriert.
Die in sich nicht konsistenten, unüberschaubaren wuchernden Sonderregeln, die es geschafft haben für 4 Regeln 6 neue Regelmechanismen einzuführen waren dann auch das Hauptproblem. Unsere Gruppe hat dies stillschweigend geregelt indem wir konsequent alles was uns zu kompliziert war ignoriert haben.
O.k. wir haben seit DSA4 weder Dämonenbeschwörungen noch Elementarherbeirufungen erlebt, keine Tränke gebraut oder Artefakte erschaffen. Reiterkampf? Erschöpfung? Ausdauer?
Wenn DSA4.1 jedoch eins geboten hat, dann dass ALLES an „seinem rechten Ort war“. Zur Charaktererschaffung hat man nur WdH benötigt. Als Spieler brauchte man im Spiel maximal 2 Regelbände, z.B. WdS und WdZ.
Alles was man nicht brauchte hat man ignoriert.
Meine Hoffnung für das sehnlich erwartete DSA 5 war eine sinnvolle Vereinheitlichung des unüberschaubaren Sonderregelwustes. Begeistert habe ich das Grundregelwerk überflogen. Was die Regeln angeht sah es auf den ersten Blick recht gut aus!
Ein ganz leicht unwohles Gefühl habe ich bekommen, als ich gesehen habe, dass man aber auch einige alte Fehler wiederholt hat, die in ALLEN DSA Grundregelwerken bisher gemacht wurden. Man hat versucht es allen recht zu machen. So finden sich eine Handvoll magischer Professionen, einige Geweihte. Ernsthaft spielbar sind diese mit dem Grundregelwerk jedoch ohnehin nicht. Einige Regeln für Magie und Wunder finden sich, aber eben nur so viele um einen Hinweis zu geben, nicht ausreichend um wirklich damit zu spielen.
Die folgenden Erscheinungen gehen anscheinend den gleichen Weg. Es erscheint ein Bestiarium. Hurra! Aber es enthält ein paar Dämonen, ein paar Tiere etc. Die weiteren Dämonen werden über weitere Bestiarien verteilt? Wer soll denn da noch in sinnvoller Zeit nachschlagen welche Werte ein Tier, Dämon, Pferd oder was auch immer hat?
In welchem Buch sich eine Sonderfertigkeit, ein Vor- oder Nachteil findet ist völlig unberechenbar. Die Sonderregel für Schmieden mit Maraskaner Stahl findet sich entweder im Grundregelwerk, im Kompendium oder vielleicht in einem der Ausrüstungsbände. Wenn nicht dort, dann sicher im Regionalband Maraskan? Oder in einem anderen Regionalband?
Wie geht es nun weiter? Bei DSA4.1 hatte man zu guter Letzt das Grundregelwerk für die Mülltonne gekauft dafür am Ende jedoch ein Set beinahe vollständiger Werke, die für sich vollständig und ausreichend waren.
Bei DSA5 wird es nach aktueller Planung darauf hinauslaufen, dass man je nach Gruppenkonstellation und Abenteuer für ein sinnvolles Spiel das Grundregelwerk, Dutzend Regionalbände, 2 Magiebände, 2 Götterbände, 3 Bestarien, den Almanach, das Kompendium und jede Menge Ausrüstungsbände benötigt.
Ernsthaft? Schade. Damit ist DSA 5 für mich erst einmal gestorben und ich warte darauf, dass man mit DSA5.1(?) den Irrsinn dieser Veröffentlichungspraxis einsieht und wieder sinnvoll strukturierte Regelbände herausbringt.
Vielleicht machen wir auch unser eigenes DSA 4.2 daraus, aber da ich eigentlich keine Muße habe mich intensiv mit Regeln auseinanderzusetzen werden wir wohl weiter machen wie bisher und einfach 40% der Regeln ignorieren, 30% der Regeln durch erprobte bestehende Hausregeln ersetzen und hoffen dass niemand auf die Idee kommt einen Elementaristen oder Artefaktmagier zu spielen.
Wenn es nach mir ginge, dann sollte DSA 5.1 gar nicht als Bücher erscheinen sondern als Blattsammlungen mit schmucken Ordnern. Dann sind auch endlich Errata kein Problem mehr. Ich kann alles was ich brauche individuell zusammenstellen, Hausregeln einfügen wo sie thematisch hingehören usw.
Bis es so weit ist werde ich wohl auf den Kauf weiter DSA Bücher verzichten. Ich habe eh noch genug Material um bis ins Altersheim DSA zu spielen und noch ungelesene Quellenbände im Regal zu finden.
In diesem Sinne,
Wyben
Hallo zusammen,
und: Nein.
Erstens vermischt diese Aussage das, was ist, das, was sein soll, und das, was man implizieren will. Hierzu später mehr. Es erfordert einige einleitende Worte.
Erst mal ein Disclaimer: DSA4.1 ist bei mir ein Spiel non grata. Ich verachte es. Es ist unstrukturiert, zu kompliziert, beim Kampf lähmend, wenig konsistent und hat zu wenig Grundkonzepte, stattdessen zu viele Einzelregeln.
Wir haben es seit dem Jahr des Feuers nicht mehr gespielt.
DSA5 finde ich vor diesem Hintergrund gut. Warum?
Regeln und Almanach SIND vollständig. Man kann damit spielen. Wer als Einsteiger – zu denen ich mich nicht zähle, die ich aber kenne – mit diesen beiden Bänden beginnt, kann problemlos über Jahre spielen. Begeistert. Zufrieden. Und ohne zu wissen, was verpassen mag.
Zwischenbemerkung: Ich persönlich bin ein Riesenfreund des RPG Ars Magica (5th Ed.). Die Idee hier ist die gleiche: Ein Regelwerk und viele, viele Ergänzungsbände. Bei Ars Magica ist ebenso wie bei DSA im Grundregelwerk alles drin, was man braucht. Nicht mehr, nicht weniger. Man kann nur mit dem Grundregelwerk über Jahre spielen, und zwar zufrieden und ohne etwas zu vermissen.
Aber die mittlerweile rd. 20 Egänzungsbände vermitteln eine Detailtiefe, die an DSA4 heranzukommen scheint: Es gibt unzählige weitere Sonderfertigkeiten und Vor- und Nachteile (die Sonderregeln für Kirchenangehörige sind zB über mindestens vier Bände verteilt; es gibt einen Sonderband über Dämonen, die Kirchen, die Feen, die Magie; drei Sonderbände über die insgesamt 12 magischen Häuser; einen Sonderband über die Kirche (kein Fehler, es gibt also zwei Ergänzungsbände über die Kirche), einen über den Adel… undundund) – und trotzdem reicht der Grundband. Ich weiß es, weil ich lange nur mit diesem Grundband gespielt habe. Als wir einen Spieler hatten, der unbedingt einen Kirchenmann spielen wollte, haben wir uns erstmals die Kirchenbände gekauft – also, erst einen, dann noch einen, und schließlich – Ihr wisst, was ich meine).
Zurück:
Warum bin ich der Meinung, dass diese DSA5-Regeldiskussionen etwas impliziert?
Ich glaube und fürchte, dass die Regel- und Vollständigkeitsdiskussion niemals ohne DSA4 im Hintergrund geführt wird. Natürlich wird dann, wenn ich ein Regelsystem mit dem gleichen Detailgrad wie DSA4 haben will, auch ein ähnlicher Regelumfang herauskommen. Hiervon muss man sich verabschieden. Wer DSA5 als eine „Fortsetzung“ von DSA4 ansieht, der wird an dieser Frage natürlich nicht vorbeikommen. Das ist auch das, was sich im Forum durch die Diskussionen zieht. Schon wird diskutiert, wie man die Regeln von DSA5 schnell wieder auf das Simulations- und Detailreichtum von DSA4 „zurückbekommt.“ Mit Verlaub: Unsinn. Ich will bei DSA5 auch nicht die Trefferpunktregeln von Warhammer oder das Prozentsystem von Harnmaster haben. Es ist ein anderes System mit anderen Konzepten.
DSA5 wird natürlich die Welt und die Regeln wieder detailreich präsentieren, weil es hierfür auch einen Bedarf gibt. Warum gibt es den Bedarf? Weil es ein Spiel der Simulation ist – ein Spiel für hunderte von Geschmäckern. Einer unserer Spieler zB will DSA5 nur unter Protest spielen, weil er keine Rahjageweihte nehmen kann. Also, er hat NOCH NIE einen Rahjageweihten gespielt, aber er will die theoretische Möglichkeit haben. So sind Rollenspieler. Wenn es Regeln für den Lebensbereich XY gibt, dann will man eben die Regeln dafür haben: Vor Herauskommen des Kastens „Die Magie des Schwarzen Auges“ wusste niemand, was er vermisst. Danach hat sich jeder gefragt, wie er bisher ohne all das spielen konnte.Das Gleiche gilt übrigens für Talente, die es ja in der ersten Edition quasi nicht gab.
Der Ansatz von DSA5 ist ein anderer. Während man DSA4 nicht mit einem Buch spielen KONNTE (es GING nicht, weil Teile der Regeln fehlten), ist das bei DSA5 anders. DSA5 KANN man mit nur einem Buch spielen. Es funktioniert. Magie, Götterwirken, Kampf und Talente sind vorhanden. Ebenso wie – zB – Splittermond kann man nur mit dem Grundregelwerk spielen.
Dieses Regelwerk kann man ergänzen, aber es sind nur Ergänzungen. Ich kann Kneipenschlägereien mit dem GRW oder mit dem Meisterschirm spielen und statt „Schmerz“ „Betäubung“ verteilen. Wenn ich das so regeln will.
Ich brauche kein Bestiarium: Ich kann jede Kreatur selbst „erschaffen“, indem ich ihre Werte errechne und sie mit SF aus dem GRW ausstattet.
Ich brauche faktisch nicht mehr als zwei Bücher.
Um es mit einem Brettspiel zu vergleichen, und es so ganz deutlich zu machen: Bei DSA4 brauchte ich unterschiedliche Boxen (Siedler von Catan 1, 2 und 3), um überhaupt spielen zu können. Bei DSA5 brauche ich einen Kasten, dann kann ich spielen.
Natürlich gibt es Erweiterungen. Aber ich benötige sie nicht. Dass Spieler sie als Fokusregel „verlangen“, ist erst einmal ihr Problem. Aber ich meine, dass man sie in einem Abenteuer weder erwarten kann noch erwarten sollte. Wenn ich – um ein aktuelles Beispiel zu nehmen – in eine Kneipe komme, dann erwarte ich NICHT, dass die dortigen NSCs mit SF zur Kneipenschlägerei ausgestattet sind. Das brauchen sie aber auch nicht zu sein.
Wenn ich den Meisterschirm habe, kann ich das alleine – und DAS ermöglicht mir als Meister eine Freiheit, die ich bislang vermisst habe. Ich kann selbst entscheiden, ob der Wirt die SF „Backpfeifensturm“ hat oder nicht. Ich würde gar nicht auf die Idee kommen, dass der Autor sie mit allen SF ausstattet, die es möglicherweise im Fokusregelband „Bäcker und Beschwippste“ gibt. Wer den Fokusband hat, stattet den Wirt eben mit den entsprechenden SF aus. Wer nicht, der nicht.
Wenn ich als Spieler ein Spiel kaufe, in dem steht „es wird nur das Regelbuch benötigt“, dann – das ist jedenfalls meine Überzeugung – KANN ich nicht erwarten, dass mehr als diese regeln drinstehen.
Bei Ars Magica sind die NSCs auch nur mit den Standard-SF ausgestattet. Die aus den Basiskästen kann ich zugeben. Muss ich aber nicht. Vor allem erwarte ich es nicht.
Wenn es für das AB zwingend notwendig ist, dann erwarte ich wiederum, dass alles hierfür drinsteht. Ein glänzendes Beispiel hierfür ist der erste Teil der Theaterritterkampagne, der mit allem an Sonderinfos aufwartet, was man braucht.
Und worin sehe ich den entscheidenden Unterschied zwischen DSA5 und DSA4? Warum glaube ich nicht, dass die Regeleritis kommt?
Es sind einige Basiskonzepte, mit denen man nahezu alles lösen kann: Bonus/Malus; QS; Status und Zustand; kurze, allgemein gehaltene SF.
Wenn es (um eine Spielernachfrage (genauer gesagt: meine Spielernachfrage) nach Müdigkeit aufzunehmen) Fokusregeln I oder II für Müdigkeit gäbe, fände ich das nett. ABER: Ich kann es problemlos mit den derzeitigen Zuständen regeln (Betäubung, Verwirrung oder was auch immer). Ich brauche hierfür keine Sonderregeln, und wenn in einem Abenteuer stünde: „Die Helden erhalten für jeweils 3 Stunden nach 22 Uhr eine Stufe Betäubung; alternativ können Sie eventuelle Sonderregeln für Müdigkeit verwenden; diese finden Sie im Band…“, dann würde ich nicht Zeter und Mordio schreien, sondern mich freuen, dass es so simpel geht.
Ebenso betrunken. Möglicherweise habe ich einen Spieler am Tisch, der mit den Zuständen aus dem Meisterschirm spielen will. Völlig in Ordnung. Wenn ich offizielle Regeln für jedes Detail haben will, dann kann man das ohnehin nicht ändern.
Aber das Konzept bleibt das Gleiche: Ich KANN das Spiel (anders als zB bei DSA4) spielen ohne eine Sonderregel hierfür. Es gibt ein schlankes Gesamtkonzept, das jeder schnell begreift, und mit dem ich problemlos Dinge regeln kann.
Ich darf insoweit noch einmal auf Ars Magica verweisen: Ich kann eine Million Sonderregeln und Superfertigkeiten haben, tausende von speziellen Vorteilen oder Nachteilen, magische Superfertigkeiten bis zum Ende: Am Ende sind es immer einige wenige Spielkonzepte, die es regeln.
Wenn ich diese Konzepte verinnerlich habe, kann ich jede Situation meistern. Ich hatte als Meister bislang kein Problem damit, Helden müde oder betrunken werden zu lassen:
Talent finden, Malus/Bonus, QS sinnvoll anwenden, Zustand oder Status verteilen. Diese Zustände wiederum greifen in den Bonus/Malus ein, machen eine Probe also schwerer oder leichter, und zwar auf sinnvolle, simple Weise. So schließt sich der Kreis. Dieses Konzept – meisterhaft „erklärt“ in Traveller5 – ist das Kernstück von DSA5. Und es bricht in relevanter Weise mit DSA4. Dieses simple
Probe +/- Aufschlag (1-6) = QS =führt zu=> Zustand =modifiziert=> Probe +/- Aufschlag (1-6) … etc.
ist für mich das Grundkonzept der Regeln. Selbst wenn ich – zB – die Sonderregeln für Reiterkampf nicht im GRW hätte, wäre es kein Problem, so eine Regel simpel selbst zu machen.
Die Stellrädchen Bonus/Malus (nur noch 6 Stufen), QS und Zustand sowie ihr mathematischer Zusammenhang PASST einfach. Dieses System ist geschlossen, und solange es durch Sonderregeln nicht aufgebrochen wird (fiktives Negativbeispiel: „SF Heiler: Der Heiler gibt übriggebliebende FP/2 als LeP zurück“), wird es auch weiter passen.
Wenn ich genauer drüber nachdenke, sind es die Zustände, die es für mich s0 einfach machen. Ihre Reduktion auf 4 Stufen und 5 Gesamtzustände sowie die simple Abstufung 1-6 machen es eben viel leichter.
Eine zweite wesentliche Verbesserung ist, dass man Basis- und Spezialkampfmanöver kombinieren kann. Mehr nicht. Eines von jeder Sorte, maximal. Die Anzahl der SF wird dadurch zwingend übersichtlich. Wenn man bedenkt, dass die PA relativ niedrig ist und das System damit ohnehin häufiger trifft, grenzt auch das die „effektiven“ SF ein. Ich kann davon ausgehen, dass ich häufiger treffe, also muss ich weniger Mathematik am Spieltisch betreiben. Zwei, drei wuchtige Schläge – einer wird sitzen.
All das führt mich zu einer Gesamteinschätzung: Ausgehend von einer sehr soliden Basis kann man so viel in so vielen Einzelheiten, Sonderregeln und Fokusregeln ausführen, wie man will: Man wird immer nur die Basis benötigen. Diese Basis ist – derzeit – stimmig.
Und deshalb mache ich mir wenige Sorgen.
Hmja…
Vielleicht muss man da zwischen Autorensicht und Spieler/Spielleitersicht unterscheiden.
Als Autor lägen sicher die genannten Probleme vor, keine Frage.
Als Spieler/Spielleiter habe ich aber endlich den Luxus, meine (Mit-)Spieler je nach Grad der Noobesse mit dem Maß an Regeln zu versorgen, dass sie benötigen bzw noch vertragen.
Gut Möglich, dass wir grundsätzlich uns mit „schmalem Regelwerk“ begnügen oder nur der Magierliebhaber in RW 1.2.3a reinschaut,
aber der Rest der Gruppe an Fokusregeln nur „Kneipenschlägereien“ und „Spezialregelwerk Havena Unterstadt“ plus „Minikampagnenregel über Affengott Tuur-Maqaq“ benötigt.
Die vielen Bausteine können je nach Gruppengeschmack perfekt sein, um sich „sein Aventurien“ perfekt zusammenzubauen.
…. müssen aber nicht, Gruppengeschmack halt…
Viel Glück
Marc