Nun bekommen wir also eine Große Koalition. 76 Prozent Zustimmung für einen mut- wie farblosen Koalitionsvertrag voller vager Kompromisse und geschickter Hintertürchen – und meine alten Genossen von der SPD, allen voran Sigmar Gabriel, feiern sich. Doch wofür eigentlich? Für mühsam errungene Kompromisse, die als Durchbrüche gelten und mit einer anderen, doch ungeliebten linken Mehrheit einfacher zu haben gewesen wären? Und einer Abstimmung ohne wirkliche Alternativen?

Eines muss man dem Siggi bei seiner sonst so offensichtlichen Unbeständigkeit lassen: Er ist die Sache taktisch klug herangegangen. Statt eine wirkliche Alternative zur Abstimmung zu geben, wurde dieses bejubelte basisdemokratische Experiment des Mitgliedervotums den Genossen so präsentiert, dass sie letztlich nur zustimmen konnten. Klar, natürlich blieb ein in den letzten Tagen viel bemühtes Restrisiko. Aber was waren die Alternativen, die zur Wahl standen? Macht oder Blamage – und da weiß der Sozi, wo er sein Kreuz machen muss. Denn lieber ein behagliches Plätzchen in Muttis Schatten als unkalkulierbare Folgen. Ein klares Nein hätte entweder vier weitere Jahre Opposition bedeutet, in der man sich nicht so gerne sieht, oder im schlimmsten Fall Neuwahlen, nachdem man gerade erst das zweitschlechteste Bundestagswahlergebnis eingefahren hat – und die hätte man wohl mit einer völlig neu aufzustellenden Parteispitze antreten müssen. Denn wie wären die zukünftigen Mitregierenden denn nach einem solchen Misstrauensvotum zu halten gewesen? Die Sozialdemokraten haben viele Eigenschaften. Mut gehört nicht dazu, Mitgliederbefragung hin oder her.

Die Parteiführung beeinflusste damit geschickt die Befragung und kann sich trotzdem nun als legitimiert hinstellen. Dazu kam die einseitige Werbung für die Große Koalition. Eine wirklich lebhafte und konstruktive Auseinandersetzung war von oben nicht vorgesehen, auf Kritik – wie etwa von den Jusos – reagierte man bockig. Wenn man noch den unglücklichen Kanzlerkandidaten dazu rechnet, kann ich mich des Verdachts nicht erwehren, dass die Große Koalition von Anfang an das eigentliche Ziel der Parteiführung gewesen ist. Dort lässt es sich auch bequemer regieren.

Es ist geradezu wünschenswert, wenn die SPD für dieses abgekarterte Spiel bei den nächsten Wahlen die Zeche bekommt, auch wenn meine Hoffnung verschwindet gering ist, dass dann endlich bei der alten Tante wirklich eine echte Erneuerung einsetzt. Was bleibt, ist, es der Großen Koalition mit ihrer erdrückenden Mehrheit in den kommenden Jahren so ungemütlich wie möglich zu machen.