Wo fange ich an?

Eigentlich wollte ich mit meinem letzten Blogeintrag alles zum Thema Das Schwarze Auge und Ulisses Spiele gesagt haben. I’m done and please don’t call me! Doch die Vorkommnisse der letzten Tage lassen mich nicht schweigen.

Ich bin entsetzt. Ich sollte es wirklich nicht sein.
Das stimmt nicht ganz: Es ist richtig, entsetzt zu sein. Ich sollte nur nicht überrascht sein. Doch der Reihe nach.

Es geht noch wer

Am Donnerstag hat mein geschätzter Kollege Mike Krzywik-Groß ebenfalls seine Zusammenarbeit mit Ulisses Spiele beendet. Da wir im Vorfeld darüber gesprochen haben, war das für mich keine Überraschung, es hat jedoch einiges in der würfelnden Community losgetreten. Die vollständige Erklärung von Mike lässt sich hier nachlesen.

Ich habe großen Respekt vor seiner Entscheidung. Mike hat mehrere Projekte mit einem Umfang von rund einer Million Zeichen aufgekündigt, das ist keine Kleinigkeit für einen freischaffenden Autor. Und dazu ist es immer noch Das Schwarze Auge, nicht das Script für einen Autowerbespot oder eine Staffel Scripted Reality. Wer zudem die Freude hat, Mike kennen zu dürfen, der weiß um sein gesellschaftliches und politisches Engagement. Er ist niemand, der einfach irgendwelche ›Keulen‹ schwingt. Er sucht den Dialog und setzt auch dann noch auf Verständigung, wenn andere längst die Geduld verloren haben. Es braucht definitiv mehr Leute, die sich nicht hinter ihren Überzeugungen verschanzen.

Aber er ist ebenfalls jemand, der seinem Gewissen folgt. Dieses hat ihn nun die Zusammenarbeit mit Ulisses Spiele aufkündigen lassen, nachdem alle Versuche des konstruktiven Dialogs gescheitert sind.

Der Verlag spricht

Das offizielle Statement des Verlags erfolgte einen Tag nach Mikes offizieller Bekanntgabe seines Rücktritts. Die Erklärung kann somit als direkte Antwort auf Mikes Entscheidung gelesen werden. Andererseits hat man sich viel Zeit gelassen. Die Kontroverse um Wege der Vereinigungen, die nicht zuletzt durch das aufwändige Crowdfunding eine große Aufmerksamkeit hatte, hatte immerhin schon vor Monaten ihren bisherigen Höhepunkt. Die Argumentation des Statements wirkt zudem für mich sehr gründlich aufgebaut und durchdacht, nicht wie ein Schnellschuss. Und die Details haben es in sich.

Es beginnt mit einer sehr ausführlichen Rechtfertigung, warum man sich bisher nicht geäußert hat. Die Quintessenz ist: Wir hatten sehr viel zu tun. Ein erneutes Lesen machte mich stutzig: Schließlich hat man nach eigenen Aussagen im Vorfeld alles gründlich durchdacht. Bereits im zweiten Satz erklärt der Verlag, dass man »heftige Kritik« erwartet hat. Wenn das der Fall ist, müsste eine Erklärung in der obersten Schublade liegen. Statt dessen erfolgt sie jetzt, nach Monaten fruchtloser interner Diskussionsversuche und einem prominenten Abgang.

Noch im ersten Absatz wird beteuert, dass man sich jedoch sehr wohl mit der Kritik auseinandergesetzt hätte. Nur hat das die Öffentlichkeit nicht mitbekommen. Gleichzeitig wird klargemacht, dass die Entscheidungsgrundlage des Verlages nicht die öffentliche Wahrnehmung ist:

Was öffentlich sichtbar ist, ist also nicht die einzige Grundlage, auf der wir die Stimmung der Community einschätzen, und was gerade prominent durch die Medien geht, ist nicht das Einzige, was es zu besprechen gab.

Kurzum: »Es gibt echt noch andere wichtige Dinge, um die wir uns kümmern müssen. Das meiste bekommt ihr eh nicht mit.«
Gleich der erste Absatz suggeriert, dass dem, der sich ein Urteil bilden möchte, gar nicht alle Informationen zur Verfügung stehen. Dies wird später noch relevant.

Anschließend folgt ein Lob derer, die man sowieso auf der Seite hat:

Bei allem Fokus auf der negativen Kritik in diesem Artikel wollen wir auch das Lob und die Unterstützung, die wir für Wege der Vereinigungen aus diversen Quellen erhalten haben, nicht vergessen.

Dies sind die eigentlichen Adressaten des Statements. Es sind nicht die Kritiker. Es sind die, die eigentlich keine Erklärung brauchen. Ihnen bietet man im Folgenden zusätzliche Argumente an.

Diese finden sich in den sich anschließenden, sehr langen Absätzen, die ausführlich darlegen, was man als Verlag alles richtig gemacht hätte. Es wird dabei eigens hervorgehoben, dass man gar Schlimmeres verhinderte:

Während von der einen Seite beklagt wurde, Wege der Vereinigungen sei noch nicht divers genug, wurden wir aus der anderen Richtung aber auch für die progressive und, wie wir finden, menschenfreundliche Linie, die wir mit dem Buch und als Verlag eingeschlagen haben, heftig kritisiert.
Ein Kritikpunkt, der uns sprachlos zurückließ, war der Widerstand gegen die Entscheidung, sexuelle Gewalt nicht in Regeln zu gießen. Eine Entscheidung zu der wir weiterhin stehen.

Also bitte, es ist anscheinend vor allem Lob angebracht! Für was – für den entschiedenen Verzicht auf Regeln zu sexueller Gewalt? Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Mehr noch: Wenn mein geplantes Produkt solche Geister beschwört, dann bin ich nicht sprachlos, sondern alarmiert.

Zu diesem Zeitpunkt befinden wir uns übrigens schon fast auf der Hälfte des Statements. Anstatt ein aufrichtiges Interesse an einer Auseinandersetzung erkennen zu lassen, badet man im eigenen Lob und versichert sich und dem Leser fortlaufend, was man richtig gemacht hätte. Dazu zählt auch das merkwürdige Argument, warum man bei den Illustrationen vor allem auf weibliche statt auf männliche Geschlechtsteile oder eine ausgewogene Mischung setzt:

Bei der Ausgestaltung der Bebilderung hat dann oftmals die persönliche ästhetische Vorliebe dazu geführt, dass wir nun einen Überschuss an Frauen und wenig Penisse zeigen. Was sicherlich keine Quotengleichheit erfüllt, aber nicht bedeutet, dass nur heterosexuell männliche Vorlieben oder gar das bewusste Ausschließen von Elementen eine Rolle spielten.

Ganz davon ab, dass gerade das Ende unnötig kompliziert formuliert ist: In der Kritik geht es auch um reproduzierten Sexismus. Dieser kann ebenso gut von Frauen bedient werden und vor allem nicht bewusst. Am meisten stößt jedoch »die persönliche ästhetische Vorliebe« auf, die hier als Erklärung herhalten muss. Gerade wenn ich mir, wie wiederholt versichert, sehr intensive Gedanken mache, dann sind es die persönlichen Vorlieben, die als erste hinterfragt gehören. Wohlwollend betrachtet wird hier ein Problem beschrieben, das allerdings nicht verstanden wird.

Nun wendet sich der Text den kritisierten Vergewaltigungsphantasien in der beiliegenden Anthologie zu. Als allererstes lernt der Leser, dass die besagte Kurzerzählung ein geradezu genialer literarischer Streich sei, der bewusst mit den Konventionen breche, die er metareferezeniell zitiere. Erneut bekommt man zuerst eine Belehrung. Dazu wird der Verlag nicht müde, darauf hinzuweisen, dass alles doch nur eine inneraventurische Phantasie ist. Sind solche Phantasien, die bereits in einer fiktionalen Welt angesiedelt sind, also weniger problematisch, weil sie innerhalb der Fiktion selbst fiktional sind? Ein Teil von mir möchte der Dreistigkeit dieser Erklärung Beifall spenden, dem anderen ist schwindelig.

Außerdem gäbe es im Vorwort eine Inhaltswarnung. Noch etwas, das von den Kritikern leichtfertig übersehen werde: Es wurde an alles gedacht. Hier könnte der Vorhang fallen, doch man will sich noch etwas Applaus abholen. Daher unterstreicht man ein weiteres Mal, wie sehr man auf die eigene Voraussicht stolz ist:

Auch dies war uns wichtig, und auch hinter dieser Entscheidung stehen wir, trotz Kritik von Lesern, die sich dadurch bevormundet fühlen. Uns liegt die emotionale Sicherheit der Spieler, die unsere Regeln tatsächlich benutzen, sehr am Herzen.

Hier bin ich unschlüssig, was mich mehr irritiert. Ist es die Spezifizierung der Spieler, um deren emotionale Sicherheit es besonders geht? Was ist mit denen, die das Buch nur lesen, aber die Regeln nicht tatsächlich nutzen? Man sehe mir die Spitzfindigkeit nach, aber es wurde sich so viel Mühe mit dem Statement gegeben, da kann dieser eingeschobene Nebensatz schwer ein Versehen sein.

Mehr noch irritiert mich das Selbstlob für den Lesehinweis: Ohne mit der Wimper zu zucken nimmt man den Unmut jener in Kauf, die sich durch eine Warnung bevormundet fühlen, um jene zu verteidigen, die die Regeln tatsächlich benutzen. Wow. Das ist ein starkes Stück, über das man nicht schnell hinweglesen sollte: Der Verlag spielt an dieser Stelle Kritiker einer Warnung vor anstößigen Inhalten gegen Kritiker von anstößigen Inhalten aus, um sich selbst in ein gutes Licht zu rücken.

Es folgt ein weiteres Beispiel der eigenen Opferbereitschaft für die erklärten Ideale:

Auf den Covern von Sinnestaumel & Begierde und Intrigenspiel & Leidenschaft zeigen wir jeweils ein gleichgeschlechtliches Paar und weitere werden in den Büchern auf Illustrationen dargestellt und beschrieben. Hierfür wurden wir unter anderem in den sozialen Medien stark kritisiert und teilweise auch persönlich beleidigt.

Ganz ehrlich: Das ist toll, dass ihr dazu steht und (zumindest) diese Tradition des Schwarzen Auges hochhaltet. An dieser Stelle wird es aber zum Feigenblatt, ein Addendum in der bereits sieben (sic!) Abschnitte langen Rechtfertigung, was alles nicht zu beanstanden sei. Es ist der Ruf: »Wir sind die, die angegriffen werden, nicht die, die angegriffen gehören!« Und warum steht das genau hier, nach dem Konter auf den Sexismusvorwuf und vor dem Konter auf den Rassismusvorwurf? Es entsteht so eine Argumentationsfolge, die Kritiker an Sexismus und Rassismus in eine Reihe mit homophoben Kritikern stellt. Und das ist verdammt perfide!

Ein Buch über Sex im Rollenspiel erschien vielen wie ein unnötiger Tabubruch. Doch die Sexualität eines Helden kann viel über seine Motivation aussagen. Sexualität prägt jede Gesellschaft und beinahe jede soziale Interaktion, nicht nur in Aventurien.

Auch diese Selbstversicherung des eigenen Mutes darf nicht fehlen. Sie lenkt jedoch von wesentlichen Punkten vorgebrachter Kritik ab. Ob ein Tabubruch nötig oder unnötig ist, ist eine sehr wichtige und komplexe Frage. Gebrochene Tabus lassen sich sehr schlecht wieder versiegeln. In späteren Absätzen ist der Verlag aufrichtiger: Das ganze Projekt begann als Aprilscherz. Jahre später wurde daraus ein Crowdfunding. Es ist zum erfolgreichsten Crowdfunding für Das Schwarze Auge geworden. Es hat viele Ressourcen für eine nicht ernst gemeinte Publikation gebunden, sowohl im Entstehungsprozess als auch im Marketing. Ein Marketing, das keinen progressiven Geist hat erkennen lassen, sondern unwillkommener Anlass zum Fremdschämen war. An solchen Punkten hat sich das besagte »Unnötig« entzündet. Nicht das DASS war das Problem, sondern das WIE.

Ein großes WIE ist der reproduzierte Rassismus. Wer es bei Mike noch nicht gelesen hat: Farbige Helden bekommen einen Bonus beim Auswürfeln der Penislänge. Ernsthaft, wo ist der Mehrwert, dieses ›Klischee‹ zu bedienen? Für einen Gag, der so lustig ist wie Rainer Brüderles Witze? Und was muss man dazu alles in den Foren lesen: Es wird biologistisch argumentiert, was an sich schon gefährlich ist und in Aventurien mit seinem gequetschten Minikontinent überhaupt keinen Sinn macht. Die ›Rassismuskeule‹ wird beschworen. Profilierungssucht als Vorwurf an die Kritiker darf ebenfalls nicht fehlen – mir fehlt stellenweise nur noch das Wort ›Gutmensch‹. Aber es ist nah dran, wenn das Argument bemüht wird, das hier aus vorauseilender Political Correctness Menschen verteidigt werden, die sich gar nicht daran stören. Auch der Klassiker »Ich kenne Schwarze, die finden das lustig, es sind doch die Weißen, die sich darüber aufregen« ist dabei. Kurz frage ich mich, ob ich mich in die braune Ecke des Internets verirrt habe. Wem dieser Vergleich nicht schmeckt: Nutzt nicht die Worte von denen, mit denen ihr nicht verglichen werden wollt.

Anders als gegen Homophobie tritt der Verlag solchen Haltungen aber nicht entgegen, sondern redet den Rassismus erst einmal klein:

Dabei nimmt die ganze Tabelle, auch wenn sie gerade die gesamte Diskussion um Wege der Vereinigungen bestimmt, lediglich einige Zeilen in einem 240-seitigen Buch ein, an dem zahlreiche Autoren mit Herzblut beteiligt waren. Die gesamte Tabelle ist letztlich ein Überbleibsel aus dem Beginn als Aprilscherz und selbst nur ein Witz.

War doch nur ein Witz, ist doch nicht so schlimm! Und es ist so klein, das fällt doch gar nicht auf. Jetzt macht uns doch nicht unsere Arbeit madig, das ist nicht nur irgendein Produkt, da steckt ganz viel Herzblut drin. Und wenn so viele Menschen leidenschaftlich daran beteiligt sind, wie können sie sich irren?
Der Nebensatz über die Autoren ist an dieser Stelle nur nötig, wenn man die Opferrolle umdrehen möchte. So soll Mitleid für die geweckt werden, die darunter ›wirklich‹ zu leiden haben.

Dabei haben wir uns bei wenigen Zahlen unnötiger Weise von einem billigen Klischee reiten lassen.
Wege der Vereinigungen befindet sich bereits im Druck, doch in der PDF Version des Buchs werden wir die Tabelle durch einen anderen Kasten ersetzen, damit sie unserem Anliegen mit Wege der Vereinigungen nicht weiter im Wege steht. Wir werden uns etwas anderes einfallen lassen.

Hier, in dem durch mich hervorgehobenen Satz, gibt es endlich ein Eingeständnis. Nach zehn Absätzen und fast 1.200 Wörtern. Es stimmt: Die Autoren haben sich von einem billigen Klischee reiten lassen. Und es war vollkommen unnötig. Es hätte wirklich niemanden – so hoffe ich doch! – gestört, wenn man es einfach von Anfang an gelassen hätte. Aber das zuzugeben, fällt so schwer, dass es zusätzlich zu der Hinführung noch im gleichen Satz (»bei wenigen Zahlen«) relativiert werden muss. Ein Bewusstsein für die Problematik lässt das nicht erkennen.

Was uns bei allen Kontroversen um Wege der Vereinigungen wichtig ist, ist bei allen unterschiedlichen Meinungen, die Menschen hinter den Büchern und Bildschirmen nicht zu vergessen und Diskussionen zuzulassen. Nur so können wir die konstruktive Kritik erhalten, die uns hilft, unsere Produkte zu verbessern und eure Meinungen zu verstehen.

Dieser Absatz schmerzt aus persönlicher Erfahrung ganz besonders. Es ist schlicht nicht wahr.

Wie ihr sicherlich aus dem Artikel lesen konntet, sind unsere Werte als Menschen und als Firma progressiv, menschenfreundlich und liberal. Wir stehen entschieden gegen Rassismus, Sexismus und Homophobie und sehen für nichts davon einen Platz in unserer Gesellschaft.

Hier wird zusammengefasst, was man aus dem Artikel herauslesen soll. Dem Lesenden wird sein Urteil suggeriert. Man hätte die Erklärung zu den eigenen Werten auch ohne diesen rhetorischen Kniff einleiten können.

Nota bene: Es gab in der Vergangenheit den einen oder anderen Fall, der berechtigte Zweifel an der Umsetzung der hier erklärten Werte hat aufkommen lassen. Oder ist der missglückte Aprilscherz mit der Verlagsübernahme durch die ›Weißhaupt-Loge‹ bereits vergessen? Versteht mich nicht falsch: Fehler sind akzeptabel, wenn man sie wirklich verstanden hat und es ein erkennbares Bemühen gibt, sie nicht zu wiederholen. Wenn es jedoch bei artig aufgesagten Erklärungen bleibt, denen keine Taten folgen, dann geht als erstes die Glaubwürdigkeit über Bord.

Gerade darum trifft uns Kritik, die uns diese Werte aufgrund vorgefasster Meinungen und Dogmen abspricht, auch persönlich.

Diesen Satz glaube ich unbedingt, und es ist vielleicht die ehrlichste Aussage: Man ist persönlich verletzt. Da haben sich Menschen mit »vorgefassten Meinungen und Dogmen« erdreistet, Kritik zu üben, und das geht tief. Abermals hebt der Verlag seine Opferrolle hervor. Gleichzeitig denunziert er die Kritiker, indem er ihnen unterstellt, sich keine eigene Meinung zu bilden, sondern sich vorgefasster Stimmungsbilder zu bedienen. Die Werte der Gegenseite werden gleich als Dogmen abgetan, in der ganz offensichtlich negativen Auslegung als nicht hinreichend fundiert, aber verbissen verteidigt. Das ist ein besonders starkes Stück!

Bei einem kontroversen Buch wie Wege der Vereinigungen ist es nur natürlich, dass viele Emotionen im Spiel sind und jeder Fehler auffällt – und Fehler hat es sicherlich gegeben, auch wenn wir vom Buch als Ganzem überzeugt sind.

Fast am Schluss begegnet dem Leser diese Seltsamkeit. Fehler hat es sicherlich gegeben, doch man ist von dem Buch als Ganzes überzeugt? 100% richtig ist für mich 0% falsch. Es bleibt ein merkwürdiges Eingeständnis, das ein weiteres Mal das Problem als Nichtigkeit abtut. Die Bewertung der »sicherlich vorhandenen« Fehler bekommt nämlich noch das Etikett emotional – vom Gefühl bestimmt, das Gegenteil von sachlich und faktisch.

Wir werden aus den Kontroversen mit geschärftem Blick und größerem Problembewusstsein hervorgehen und in Zukunft noch stärker darauf achten, dass die Fehler aus Wege der Vereinigungen sich nicht wiederholen.

Irgendwie kann ich mich des Verdachts nicht erwehren, dass ich diese Zusicherung ein paar Mal zu oft gehört habe. Mein persönliches und zweifellos emotionales Problem ist, dass ich ihr zu oft geglaubt habe.

Fazit

Das gesamte Statement von Ulisses Spiele vermittelt kein ehrliches Bewusstsein für die Problematik, auch kein Interesse daran. Zuvorderst geht es darum, die eigenen Leistungen hervorzuheben. Darauf verwendet der Text seine meisten Sätze. Wo man etwas nicht von sich weisen kann, wird es relativiert. Dies schmälert das Eingeständnis. Gleichzeitig suggeriert der Text den Verlag und die Macher von Wege der Vereinigung als die eigentlich Leidtragenden. All das wird dadurch abgerundet, dass die Kritiker als unkundig und unsachlich dargestellt werden. Dass der Verlag zudem den Kern von Mikes Kritik entweder nicht verstanden hat oder bewusst ignoriert, ist angesichts dessen schon fast geschenkt.

Als Statement, das sich zuerst an die Unterstützer richtet, mag das nicht verwunderlich sein. Wie abgebrüht hier vorgegangen wird, entsetzt mich dennoch. Davon kann ich nichts als naiven Ausrutscher abtun: Der Text ist so geschrieben, wie er gemeint ist. Und er wird von denen, an die er sich wendet, auch verstanden werden.

Warum halte ich nicht einfach die Klappe?

Es könnte wirklich gut sein mit meinen Äußerungen. Und ich habe es wirklich vorgehabt, um mit dem (offiziellen) Das Schwarze Auge endlich abzuschließen. Das Verlagsstatement konnte ich aber nicht unkommentiert stehen lassen. Nicht in unserer Zeit, in der Rücksicht und Empathie zu Schimpfwörtern werden und eine stinkende rassistische, sexistische und unmenschliche Masse nach oben quillt. Das, was unser Miteinander vergiftet, muss benannt werden.

Ebenso wie Mike geht es mir nicht um Schuld. Es geht um Verantwortung. Und selbst, wenn es sich um eine Nische handelt, hat gerade ein Verlag wie Ulisses Spiele als Marktführer eine Verantwortung. Dieser wird man nicht mit Nebelkerzen und Lippenbekenntnissen gerecht.