Seit etwa 26 Jahren spiele ich Rollenspiele. Eine lange Zeit gab es nur ein System für mich: Das Schwarze Auge, das auch zu meinem Tor zum professionellen Schreiben wurde. Dann beugte sich unsere Runde dem Alltag der Beteiligten und für ein paar Jahre(!) rollte ich keine Würfel. Seit gut drei Jahren spiele ich wieder viel und regelmäßig. Und ich bin nicht mehr auf ein Setting und ein System fixiert. Heute gebe ich euch einen Einblick, welche Rollenspiele ich zur Zeit spiele – und welche noch auf mich warten.

Aktuell spiele ich in drei festen, regelmäßigen Runden. Zwei davon kommen einmal im Monat zusammen, spielen jeweils ein Spiel, und in beiden bin ich die Spielleitung. Die dritte Runde trifft sich alle zwei Wochen unter der Woche. Die Spielleitung wechselt, jede:r ist mal an der Reihe, und wir probieren viel aus: von Oneshots, um den Pile of Shame abzutragen, bis zu Minikampagnen.

Zu diesen drei Runden kommen noch allerlei One- und Fewshots mit tollen Mitspielenden aus einem stetig wachsenden Pool. Im Folgenden konzentriere ich mich vor allem auf die Spiele, die ich regelmäßig spiele. Sonst würde ich vermutlich schnell den Rahmen dieses Artikels sprengen.

Coriolis – Der Dritte Horizont

Über dieses famose SciFi-Rollenspiel habe ich bereits an anderer Stelle berichtet. Und die Liebe für Coriolis ist ungebrochen. Unsere Runde besteht nun seit gut zweieinhalb Jahren und Anfang 2021 sind wir in die “zweite Staffel” gestartet. Wir spielen einmal im Monat, und ich erwarte kein baldiges Ende. Der Hintergrund einer arabisch geprägten Zukunftswelt, die von Mythen und den Intrigen machtvoller Fraktionen durchzogen ist, ist so reichhaltig, dass ich Ideen für sehr, sehr viele Geschichten habe.

Coriolis – Der Dritte Horizont war auch das Spiel, das mich aus meiner längeren Würfelabstinenz herausgeführt und zu meiner ersten festen Spielrunde seit Jahren geführt hat. Mein erstes Abenteuer, das ich für Coriolis geschrieben und geleitet habe, ist für alle Neugierigen über DriveThruRPG oder für Patreons des Uhrwerk Verlags erhältlich: Die Hyänen von Odacon.

Was ist Rollenspiel?

Das bekannteste Rollenspiel ist wohl Dungeons & Dragons, aber es gibt unzählige Rollenspiele mit unterschiedlichen Settings und Regeln. Jedes große Franchise hat oder hatte einen Rollenspiel, von Herr der Ringe bis Star Trek. Aber es funktioniert auch andersherum: Die Erfolgsserie The Expanse begann als private Rollenspielkampagne der Macher. Einige der beliebtesten Charaktere wurden vorher von den Freunden der Autoren gespielt.

Aber wie funktioniert es? Im Kern geht es um das gemeinsame Erzählen und Erleben von Geschichten. Alle Mitspielenden bis auf eine Person übernehmen die Rollen der Hauptfiguren der Geschichte. Die verbleibende Person übernimmt die Spielleitung. Sie verkörpert alle anderen Figuren der Geschichte, beschreibt die Welt, in der die Spielfiguren agieren, und stellt sie vor spannende Herausforderungen. Die Handlung entfaltet sich in abwechselnden Beschreibungen. Und wenn der Ausgang einer Szene oder Handlung ungewiss ist, entscheidet ein Würfelwurf über den weiteren Verlauf der Ereignisse. Werden unsere Held:innen Erfolg haben oder müssen sie sich neuen Hindernissen stellen?

Invisible Sun

Dieses Rollenspiel von Monte Cook Games ist eine Offenbarung. Und für viele Rollenspieler:innen vermutlich immer noch ein Rätsel. Das liegt daran, dass dieses Spiel eine echte Investition und ein großes Mysterium ist. Der (edel und großzügig ausgestattete) Black Cube mit allem, was es zum Spiel braucht, kostet alleine gute 250 € und wiegt etwa 15 kg. Dazu kommt noch ein halbes Dutzend weiterer Bücher, auf die man wirklich nicht verzichten möchte. Mit ein paar Ordnern, um die zig hundert Karten zu verwalten, habe ich sicherlich über 600 € in dieses Spiel investiert. Und ich bereue keinen einzigen Cent.

Doch was ist Invisible Sun? Es ist ein Rollenspiel surrealer Magie. Es ist ein Spiel, in dem sich Neil Gaimans Sandman und die Alpätrume von David Lynch begegnen. In dieser Welt ist unsere “Realität” nur ein Schatten der Wahrheit. Und die Spielfiguren – Vislae genannt – treten aus dem Schatten und kehren in die Wirklichkeit zurück – und nach Satyrine, die Stadt der Ideen. Dort waren sie einst mächtige Zaubernde, bevor sie vor dem Krieg, über den niemand spricht, in den Schatten geflohen sind. Nun versuchen sie wieder ihren Platz in der Wirklichkeit zu finden, sich zu erinnern und die Mysterien zu lüften, die die Schöpfung und ihr Vermächtnis umgeben.

Invisible Sun ist traumfhaft-surreal, daher manchmal auch sehr düster, und damit trifft es genau meinen Nerv. Sam Greb lässt grüßen! Es verfolgt eine Philosophie, die die Spieler:innen ans Steuer setzt: Sie folgen nicht den Plots, die ich mir im stillen Kämmerlein ausdenke, sondern ich als Geschichtenerzähler folge ihren Handlungsbögen. Das ist generell ein guter Ratschlag für jede Spielleitung, doch Invisible Sun zieht es mit einer bemerkenswerten Eleganz durch.

Allen Rollenspieler:innen, die Magie, Surrealismus, narrative Regeln und charaktergetriebenes Spiel mögen, kann ich Invisible Sun nur ans Herz legen. Ja, es ist eine Investition. Aber gemessen an dem, was wir sonst so für unser Hobby und Crowdfundings ausgeben, auch wieder nicht so viel.

Humblewood

Humblewood zählt mit über einer Million Dollar zu den erfolgreichsten Rollenspielcrowdfundings auf Kickstarter. Was es so erfolgreich gemacht hat? Ich tippe auf das fantastische Artwork. Zumindest war es für mich der Grund, mein Geld in den Topf zu werfen. In Humblewood spielt man anthropomorphe Tiere wie die eulengestaltigen Strig, die mausgleichen Jerbeen oder die taubenartigen Luma. In der beiliegenden Kampagne macht man sich auf, um den namengebenden Humblewood vor einer schrecklichen Katastrophe zu retten.

Anders als die bisherigen Spiele ist Humblewood kein eigenständiges Spiel, sondern ein Setting- und Kampagnenband für die 5. Edition von Dungeon & Dragons. Es stand sehr lange in meinem Bücherregal, seit diesem Jahr leite ich es jedoch endlich für meine zweiwöchige Runde. Damit leite ich auch das erste Mal eine Dungeons & Dragons-Kampagne, und ich denke, das ist einen eigenen (zukünftigen) Artikel wert. Es macht Dank einer tollen Gruppe und augenzwinkernden Leichtigkeit großen Spaß, Und habe ich schon das tolle Artwork erwähnt?

Und noch mehr!

Das sind die drei wesentlichen Spiele und Kampagnen, die ich gerade leite, aber noch nicht alles. In der zweiwöchentlichen Runde haben wir unter anderem mit einer lockeren Eclipse Phase-Kampagne begonnen, die ich ebenfalls leite; allerdings haben sich hier die Tiere aus dem Humblewood vorgedrängt, so dass die beschleunigte Zukunft zur Zeit eine Pause einlegt. Eine andere Spielleiterin der Runde leitet für uns eine Abwandlung von Mutant: Jahr Null. Doch statt Mutanten in der Postapokalypse spielen wir Plüschtiere in einem Hochhaus. Und in der selben Runde haben wir bis Jahresanfang zusätzlich Star Trek Adventures gespielt. Der Spielleiter bereitet nun etwas Neues vor. City of Mist und Monster of the Week sind hier die aktuellen Favoriten.

Viele, viele weitere Settings und Systeme sind und waren Gegenstand von Oneshots. Corona und Online-Cons haben dazu beigetragen, meinen Horizont massiv zu erweitern und den Pile of Shame zumindest etwas abzutragen. Dazu gehören Electric BastionlandTales from the LoopDie Verbotenen LandeNumeneraThe SpireDungeon World sowie verschiedene Settings für Fate und Cypher System.

Und noch nicht genug!

Das Luxusdilemma ist, dass ich mehr Rollenspiele intensiver spielen möchte, als ich Zeit habe. Aber Zeit kann man sich ja nehmen, und daher denke ich über eine weitere Runde nach. Vorher sollte ich mich entscheiden, welches Spiel von meiner Shortlist das Rennen macht. Und das ist noch lange nicht entschieden!

  • Ich habe wirklich Lust auf eine längere Numenera-Kampagne. Punkt.
  • Da ich mich gerade wieder verstärkt mit Transhumanismus beschäftige und überwiegend Science Fiction lese, drängt Ecplise Phase wieder nach vorne. Schließlich habe ich dafür einen Hack geschrieben, um es mit den Regeln der Year Zero Engine zu spielen – und das will genutzt werden!
  • Und dann ist da noch Symbaroum, dieses feine und düstere Fantasyspiel aus Schweden, und seine Throne of Thorns-Kampagne.
  • Eher Kandidaten für Oneshots, Fewshots und/oder Minikampagnen, doch sich nicht weniger aufdrängend sind Dune (ich bin skeptisch gegenüber den Regeln, aber hey: es ist Dune!), 7te See (Mantel und Degen habe ich schon als Kind geliebt!) und Vaesen (Akte X trifft Sherlock Holmes im Skandinavien des 19. Jahrhunderts).

Vielleicht lässt sich die quälende Wahl zwischen Numenera, Eclipse Phase und Symbaroum nur ganz klassisch nach alter Ahnen Sitte lösen: durch einen Würfelwurf.

Kennt ihr die Spiele, die ich spiele, und was haltet ihr von ihnen? Was spielt ihr? Und welches Spiel rutscht in eurem Pile of Shame immer nach unten, doch hat es mehr als verdient, endlich gespielt zu werden? Ich freue mich über Kommentare, Anregungen und Austausch!