Dies ist der dritte und letzte Teil meiner Serie über Science Fiction-Rollenspiele. Und wie es sich für einen Top 3-Countdown gehört, habe ich mir das Beste für den Schluss aufgehoben. Allerdings muss ich zugeben, dass es ein Kopf-und-Kopf-Rennen und die Entscheidung knapp gewesen ist. Nachdem es bei den vorherigen Plätzen in die Subgenres von Science Fantasy und Space Opera ging, kommt Platz 1 aus der Hard Science Fiction.

Eine passende Empfehlung

Passend zum Genre möchte ich euch den Youtube-Kanal von Isaac Arthur empfehlen. Isaac Arthur ist mein Lieblingsexperte zu den Themen Futurismus, Transhumanismus und Science Fiction im Allgemeinen, und seine Videos sind eine echte Entdeckung. Seit 2014 erklärt er futuristische Konzepte von Weltraumhabitaten über exoplanetarer Besiedlung bis zu Megastrukturen, von den Möglichkeiten außerirdischen Lebens bis zu den Perspektiven künstlicher Intelligenz. Ich habe bisher noch kein Thema aus der Science Fiction gefunden, zu dem Isaac Arthur nicht mindestens ein Video gemacht hat.

Platz 1: Eclipse Phase

All diese Themen finden sich zudem in meinem Lieblingsrollenspielsetting der Science Fiction: Eclipse Phase. Ihr erinnert euch, dass ich in den anderen beiden Teilen gesagt habe, dass es hier um das Setting, nicht die Regeln geht? Das gilt für Eclipse Phase besonders: Die Regeln mag ich überhaupt nicht, doch das Setting ist brillant.

Wir befinden uns in einer eher nahen Zukunft. Stellt euch eine Mischung aus The Expanse und Altered Carbon mit ein bisschen Terminator und Shadowrun vor. Die Menschheit hat längst die Phase des Transhumanismus erreicht. Unser Bewusstsein ist digital, unsere Körper sind austauschbar. Und beides hat uns geholfen, das Sonnensystem zu besiedeln. Doch vor zehn Jahren ging etwas fürchterlich schief: Eine Singularität auf der Erde führte dazu, dass sich die Maschinen einer hypervernetzten Welt gegen die Transhumanen wandten. Gleichzeitig brach ein tödlicher (vermutlich außerirdischer) Virus aus. 90% der Menschen starben, die Erde wurde verwüstet und abgeriegelt, und vermutlich wäre der sogenannte Fall das Ende gewesen, hätten die Angriffe nicht plötzlich aufgehört.

Zehn Jahre später haben sich neue Gesellschaftsordnungen gebildet. Hyperkapitalistische Konzerne kontrollieren das innere Sonnensystem, während jenseits des Gürtels anarchische und technosozialistische Formen des Zusammenlebens ausprobiert werden. Wir reisen, indem wir unsere Egos über gigantische Entfernungen in neue Körper transferieren. Heute einen Handelsvertrag auf dem Mond abschließen und morgen als Weltraumwal im Plasma der Sonne baden? Kein Problem – für die Reichen. Die Armen zahlen als scheppernde Masse ihre geliehenen Roboterkörper ab, während andere Bewusstsein in der virtuellen Welt darauf warten, sich überhaupt einen Körper leisten zu können.

In dieser Zukunft sind die Spielcharaktere Agent*innen einer dezentralen Geheimorganisation namens Firewall, die eine weitere Katastrophe wie den Fall verhindern will. Doch wenn Körper nicht mehr länger die Identität ausmachen und Bewusstseine programmiert werden können, ist Paranoia Teil des Geschäfts. Wer weiß schon, ob die Nemesis nicht das eigene, vergessene Backup ist?

Für wen ist Eclipse Phase?

Wie Coriolis – Der Dritte Horizont bietet auch Eclipse Phase einen vielseitigen, reichen Hintergrund. Von Konzernspionage bis zur Erkundung von Exoplaneten, vom Agententhriller bis zum Crime Drama oder vom virtuellen Alptraum bis Body Horror kann das Spiel alles beinhalten. Die Eigendefinition lautet “ein postapokalyptisches Rollenspiel um transhumane Verschwörungen und Horror”.

Für mich persönlich liegt die eigentliche Stärke in dem Spiel mit der Identität. Wenn KIs und Uplifts nur Bewusstseine mit einem anderen Ursprung sind, was ist menschlich? Was ist das Selbst, wenn es Kopien und Backups gibt? Philip K. Dick hat seinerzeit den Outer Space in den Inner Space verlegt, und Eclipse Phase setzt genau dort an.

Neben allen technischen Wundern geht es zudem um die gesellschaftliche Fragen, die ebenfalls ein großes Feld der Science Fiction sind. Eclipse Phase macht hier einen hervorragenden Job und projiziert verschiedene Modelle, vom Biokonservatismus zu völlig neuen Formen des Zusammenlebens. Da die beschriebene Zukunft nicht so weit von unserer Gegenwart entfernt ist und die Autoren das Science in Science Fiction groß schreiben, bietet das Setting die Möglichkeit, spielerisch über uns als Menschheit nachzudenken.

Gute Science Fiction ist nicht nur Technobabbel, sondern reflektiert die Gegenwart. Darum ist Eclipse Phase mein Lieblingssetting und schlägt knapp, aber entschieden Coriolis.

Transhumanistische Versuchung

Eclipse Phase ist mittlerweile in der zweiten Edition erhältlich, die das Spielsystem etwas verschlankt hat. Es bleibt dennoch ein eher komplexes Rollenspiel. Außerdem benutzt es als Grundlage den W100, und ich empfinde eine tiefe Abneigung gegenüber W100-Systemen. Das schmälert für mich aber nicht die Brillanz des Settings, und darum geht es hier schließlich.

Zum Reinschuppern gibt es einen kostenlosen Schnellstarter. Doch das ist nicht alles: Ganz in der Tradition anarchistischer Wissengesellschafter stellt Gamedesigner Rob Boyle sämtliche PDFs der ersten Edition zum Download zur Verfügung. Darunter befindet sich ebenfalls eine Fate-Adaption mit dem Namen Transhumanitiy’s Fate  als alternatives Regelsystem. Gefallen euch die Bücher, kauft sie gerne und unterstützt den Verlag. Denn schließlich haben wir den Kapitalismus noch nicht überwunden.

Eclipse Phase erscheint bei Posthuman Studios. Eine deutsche Übersetzung gibt es bisher noch nicht.

Fazit

Das waren sie, meine Top 3-Settings unter den Science Fiction-Rollenspielen. Was denkt ihr über meine Favoriten? Spielt ihr sie, habt etwas Neues euer Interesse geweckt oder begeistert euch etwas ganz anderes?