Zeit für ein paar sonntägliche Reflexionen zu Der Nabel der Welten. Dieses Mal geht es nicht um das Buch an sich, sondern um jene Gestalten, die die Geschichte am Leben halten. Es soll geneigte Leser geben, die mit Der Kreis der Sechs warten, bis der Abschluss endlich erschienen ist. Ich werde daher nicht zu sehr ins Detail gehen.

Das Schwarze Auge ist vorrangig ein Heldenrollenspiel. So sehe ich es selbst. Die Helden – die Alter Egos der Spieler – sind am Ende die Guten und retten den Tag. Gleichzeitig mag ich komplexe Charaktere ebenso wie Klischees – letztere auch, weil sie das Spiel mit den Erwartungshaltungen erlauben. Was bedeutet dies nun für einen Roman in der Spielwelt des Schwarzen Auges?

Schon Der Kreis der Sechs erzählte keine klassische Heldengeschichte. Killgorn von Punin ist eher der Antiheld, zu Gorodez Sgirra muss ich dem Kundigen nicht viel erzählen und auch wenn Avesa und Dartan Helden sehr nahe kommen, wie man ihnen auch am Spieltisch begegnen kann, entziehen sie sich – in Der Nabel der Welten noch stärker – allzu simplen Kategorien. Die Wege, die sie einschlagen (müssen), werden die Grenzen noch stärker aufweichen.

Hat mal jemand ‘ne Kippe?

Natürlich gibt es ‘das Böse’ – und wer Teil I gelesen hat, weiß, wen oder was ich meine. Aber ‘die Guten’ – in einem moralischen Sinne – sind nicht zwangsläufig die Helden der Geschichte und die Helden sind nicht zwingend ‘gut’. Einige Protagonisten der Geschichte wollen gerne klassische Helden sein. Zumindest haben sie eine Vorstellung davon, was einen Helden ausmacht. Leider haben sie so ihre Mühen, dieses Bild von sich als Held zu erfüllen. Sie sind nun einmal Menschen und deswegen scheitern sie. Und einer von ihnen will ohnehin ganz garantiert kein Held sein. Vermutlich würde er darüber lachen. Und husten. Das mag ein Grund sein, warum dieser Jemand augenscheinlich am besten klar kommt: Er rennt keinem moralischen Ideal hinterher, sondern ist sich selbst das Maß seiner Handlungen. Aber er wird es nicht so einfach haben, wie er es gerne hätte.

In Der Nabel der Welten setzen die überlebenden Figuren ihre Reise und ihren Kampf fort, wobei die Wahl ihrer Mittel sich verändern wird. Auf eine für sie sehr gefährliche Weise, die schnell klarmacht: Wer auch immer das Ganze überleben wird, wird nicht mehr derselbe sein. Ein ‘Held’ ist es gewöhnt, Übermenschliches zu leisten, selbst für persönliche Opfer bereit zu sein, um ‘das Böse’ zu besiegen und ‘das Gute’ zu bewahren. Nur sind die Protagonisten keine Helden, sondern Menschen, die auf den Preis des Heldentums nicht vorbereitet sind. Genau diese Bruchstelle zwischen dem eigentlichen Charakter einer Figur und dem Bild, was sie von sich selbst hat oder das sie zu erfüllen versucht, macht für mich den größten Reiz an der Geschichte aus. Ob nun Prota- oder Antagonist: Jede Figur, aus deren Perspektive die Handlung erzählt wird, trägt neben allem anderen vor allem diesen Kampf mit sich selbst aus. Manche werden ihn meistern, andere daran zugrunde gehen – und im Ausgang mag es durchaus ein paar Überraschungen geben.

Alte Bekannte und neue Perspektiven

Zu den Perspektiven der überlebenden Figuren gesellt sich eine neue Erzählperspektive, die in der gegenwärtigen Zeitebene eingeführt wird. Es handelt sich dabei um eine Person, die bereits in Der Kreis der Sechs einen kleinen Auftritt hatte. Ursprünglich sollte es am Ende von Teil I nach dem Cliffhanger noch ein kleines Outro geben, in dem wir bereits kurz in die neue Perspektive eintauchen. Ich habe mich dann kurz vor Abgabe dagegen entschieden und bei der Wiederaufnahme lange mit mir gerungen, ob es dieser Perspektive wirklich braucht. Das abschließende Urteil überlasse ich den Leser, doch sie hat sich für mich klar als Gewinn erwiesen, da sie der Geschichte eine andere Färbung und Dynamik gibt.

Daneben werden wieder einige Persönlichkeiten Aventuriens ihren Auftritt haben und eine mehr oder weniger tragende Rolle spielen. Eine Dame durfte ich jüngst in einer Spielhilfe beschreiben, zudem trat sie bereits am Rande von Der Kreis der Sechs auf. Eine andere, besonders gefährliche Dame hat mit beim Schreiben ihrer Szene eine hämische Freude bereitet. Auch wenn sie eher in kleinen Dosen in Publikationen in Erscheinung tritt, wird ihr Name sicherlich bei vielen DSA-Spielern – nicht nur angenehme – Assoziationen wecken. Nur so viel: Sie ist eine Königin.

Genug der Reflexionen an diesem überraschend sonnigen Tag. Was sich zur Zeit ‘Sonne’ nennt, aber man wird mit der Zeit doch genügsam. Mehr demnächst: mehr Der Nabel der Welten und hoffentlich mehr Sonne!