Die Ruhrtriennale – oder RUHRTRIIIENNALE, wie sie sich neuerdings schreibt – startet in diesem Sommer erstmalig unter der Leitung des niederländischen Theater- und Opernregisseurs Johan Simons. Noch für dieses Jahr ist unter dem Titel »Junge Theaterkollektive gesucht« in Kooperation mit dem Ringlokschuppen Ruhr, dem Schauspiel Essen und dem Theater Oberhausen eine Masterclass ausgeschrieben. Die Ausschreibung richtet sich an junge Theaterkünstler/innen, um im Rahmen der Ruhrtriennale ihre Visionen zu reflektieren, weiterzuentwickeln und schließlich zu realisieren.

Das klingt erst einmal toll. Junge Theaterkollektive können ihre Ideen einreichen und für die Realisierung nicht nur auf die Infrastruktur eines festen Hauses zurückgreifen, sondern werden dabei zusätzlich von erfahrenen Dramaturgen betreut. Und die Ruhrtriennale öffnet sich als Plattform für frische Ideen und neue Impulse, statt ausschließlich auf etablierte Künstler zu setzen. Viele junge Theatermacher müssen sehr lange auf eine solche Gelegenheit hinarbeiten.

Ein kleines Detail gibt dieser Ausschreibung jedoch einen seltsamen Beigeschmack. Sicherlich, es ist ein monetäres Detail, aber es lohnt sich, einen genaueren Blick darauf zu werfen:

  • Die Ausschreibung richtet sich explizit an Nachwuchskünstler in der Ausbildung, junge Absolventen oder Berufsanfänger. Das schließt Künstler mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium mit ein.
  • Ziel ist die Realisierung einer ca. 60 minütigen Aufführung.
  • Geprobt und aufgeführt wird in den Räumlichkeiten einer der genannten Institutionen, die die Umsetzung logistisch – etwa durch die Arbeit ihrer Werkstätten – unterstützen.
  • Das Kollektiv, das maximal aus sechs Personen bestehen darf, erhält für drei Wochen eine Unterbringung in Mehrpersonenunterkünften und ein Monatsticket der Preisstufe D Süd (á 121,30 € pro Person).
  • Dazu gibt es eine Tagespauschale von 24 € pro Tag für 22 Tage (An- und Abreisetage zählen halb). Außerdem werden Reisekosten von bis zu 100 € pro Person erstattet.

Soweit sind das durchaus annehmbare Konditionen. Jetzt kommt jedoch der kritische Punkt:

  • Jedes Team erhält ein Produktionsbudget von maximal 5.000 €. Dieses wird von den Künstlern nach Vorlage eines Finanzplans und in Abstimmung mit der jeweils kooperierenden Institution verwaltet. Von diesen 5.000 € sollen Ausstattung, Materialkosten und Gagen bestritten werden.

5.000 € klingt nach viel Geld. Das kann es auch sein – ich kenne viele freie Produktionen, die mit viel weniger Geld auskommen müssen. Ich selbst habe Projekte mit viel weniger Geld realisiert. Ohne die Opferbereitschaft aller Beteiligten – mich eingeschlossen – wäre es oftmals gar nicht möglich gewesen. Mit 5.000 € wüsste ich sehr viel anzustellen.

Allerdings bin ich nicht die Ruhrtriennale, die selbst für große, subventionierte Häuser der Region beeindruckende Summen investieren kann, um ihr jährliches Kulturevent mit großen Namen aus aller Welt zu veranstalten. Und in diesem Rahmen sind die maximal 5.000 € kritisch zu reflektieren.

Denn was verdienen die jungen Nachwuchskünstler? Natürlich erst einmal die Pauschale von 528 € (22 x 24 €). Darüber bleibt dem Kollektiv – immerhin bis zu sechs Personen – nur, sich selbst ein zusätzliches Honorar aus dem Produktionsbudget zu bezahlen. Ob das im Rahmen des einzureichenden Finanzplans erlaubt ist, ist der Ausschreibung nicht zu entnehmen – die Gagen, die von dem Geld bestritten werden dürfen, können sich auch auf externe Schauspieler, Künstler und Performer beziehen. Und schließlich müssen noch andere Posten von dem Geld bestritten werden. Damit bleibt nicht mehr viel, vor allem, wenn man es sich zu sechst teilen soll.

Was leistet das Kollektiv dafür? Neben einer dreiwöchigen Probenzeit natürlich die Vorbereitungszeit, bei der man ohnehin gewohnt ist, das sie nicht entlohnt wird. Die Arbeitszeit kann also gut und gerne zwei Monate oder mehr betragen. Und schließlich stehen sie als künstlerische Verantwortliche mit ihrem Namen ein. Dafür gibt es 528 € plus vielleicht ein kleines Taschengeld, wenn man klug kalkuliert und argumentiert.

Um es festzuhalten: Es geht um eine Minigage für durchaus studierte und ausgebildete Künstler. Sie bekommen damit weniger als das tarifliche Gehalt für künstlerische Berufe, mit dem etwa Schauspieler oder Regieassistenten einsteigen.

Jetzt lässt sich ohne Frage argumentieren, dass es sich um eine ‘Masterclass’ handelt, gewissermaßen eine Art Workshop, bei dem es vorrangig darum geht, dass die Jungkünstler etwas lernen und sich betreut ausprobieren dürfen. Aber das ist letztlich nur ein Label. Denn am Ende wird eine vollwertige Arbeit stehen, die fest im Programm der Triennale verankert ist und vor Publikum gezeigt wird. Es wird schon der Anspruch der Kollektive sein, nicht bloß ein ‘Workshopergebnis’ zu präsentieren, sondern etwas Ausgereiftes und Hochwertiges. Zumal die kooperierenden Bühnen und die Ruhrtriennale selbst ebenfalls daran ein Interesse haben werden, da gute wie schlechte Arbeiten auch immer auf das Haus zurückfallen.

Natürlich ist es eine große Gelegenheit, sich auf der Ruhrtriennale mit seiner Bühnenkunst präsentieren zu dürfen. Das ist in der Regel eher etablierten Künstlern gestattet. Soll also gelten: Man lernt etwas, vielleicht wird man entdeckt und schließlich ist es die Ruhrtriennale!? Nein – denn es ist die Ruhrtriennale, eines der finanziell hervorragend aufgestellten Flaggschiffe der sogenannten Hochkultur. Mit dieser Rolle sollte eine Verantwortung einhergehen, auch junge Künstler angemessen zu bezahlen. Bei den zur Verfügung stehenden Mitteln sollte das nicht schwer fallen.

So bleibt der Beigeschmack, dass die Ruhrtriennale sich durch den Enthusiasmus junger Künstler schmücken kann, eine Plattform für den Nachwuchs in einem renommierten Rahmen zu bieten. Es ist schließlich eine ‘Masterclass’.

Seid dankbar, denn wir geben euch eine Chance!